aus "Ons Hemecht" 1900 von K. Arendt

Der römische Fund bei Consdorf

Einleitung - Beschreibung - Deutung - Anmerkungen

Die vielen römischen Substruktionen, Münzen, Urnen usw., die seit einer langen Reihe von Jahren auf den Höhenzügen rechts- und linksseits der "Schwarzen Ernz" gemacht wurden, sind beredete Zeugen von einer im 3. und 4. Jahrhundert ausgedehnten römischen Ansiedlung in dieser vom Marscherwald durchzogenen Gegend. Jedem Geschichtsfreund, der dieselbe einigermaßen durchforscht hat, sind nicht unbekannt :
a) die römischen Schanzen

b) der Tumulus bei Zittig > PSH 17 S165
c) die Gewölbe mit Aschenkrügen bei Pottaschhof
d)

Als vorigen Herbst ( 1899 ) in mehreren Zeitungen von einem jüngst bei Consdorf gemachten rätselhaften Funde Meldung geschah und ich mich eben geschäftshalber in Echternach befand, beschloß ich, mit den Hrn R. Brimmeyer und Dr. Graf, die kleine Reise nach der Fundstelle zusammen zu unternehmen.- dieselbe liegt etwa 2½ Kilometer von Consdorf, 3 Kilometer von Breitweiler und Chrisnach, und 4½ Kilometer von Alttrier, auf einem nach NordWest leicht geneigten Berghange, am Ort genannt " bei de Wichtelchesheiser".

 Skizze des Fundes
Die bis jetzt blosgelegten Baureste ( s. Skizze ) begreifen :
Die Fundamente zweier Rotunden von je 6m und 8m Durchmesser, und einer zur Bergseite dahinter liegenden 14,80m langen Mauer, welche mit den mutmaßlich anstoßenden Seitenmauern das Ganze in einem Viereck von 11m mal 16m umschlossen.
In ihrer ganzen Breite sind diese Fundamentmauern ohne Mörtel aus mächtigen, sauber behauenen Bergsteinen ( sogen. luxemburger Sandstein ) von 0,65m respektiv 0.75m Breite, 0,60m Höhe und 0,70m bis 2m Länge gebaut, die außerdem in der Langmauer mittels großer schmiedeeiserner 0,35 mal 0,08 m messender Klammern zusammengehalten sind.
Es ist dieses dieselbe gewaltige Cyklopentechnik, die an der Porta Nigra zu Trier so viel angestaunt wird. Sehr merkenswert ist ein im Zentrum der kleinen Rotunde befindlicher Haustein mit einer Art, auf der Kopfseite 0,25m tief ausgehöhltem, Sepulchrum.
In dem engen Zwischenraum der Rotunden befand sich ein Haufen Überbleibsel von zertrümmerten Urnen und Amphoren aus terra sigillata. Die trichterartig geformten Mündungen dieser Gefäße hatten offenbar den Zweck das Einfüllen zu erleichtern.
In nächster Nähe des Gebäudes waren ehedem Münzen aus der Zeit von Postumus bis auf Quintillus ( Tetricus II ) gefunden worden.

Welches mag nun wohl, zur Römerzeit, die Bestimmung dieses, in Form und Technik so eigentümlichen Gebäudes gewesen sein ?
Von vornherein dürfte das kostbare Material der besagten Fundamente, auf denen sich zweifelsohne, nach den üblichen Gepflogenheiten, ein ebenfalls aus Haustein konstruierter Oberbau erhob, so wie auch der erlesene Ton der so edel modellierten Gefäßreste, jede Deutung auf ein zu wirtschaftlichen Zwecken dienendes Bauwerk ausschließen. Für eine eventuelle Töpferei fehlen überdies die Überreste von Ton, von Kohlen und von Aschen, die sich anderswo, z. Bsp. in den Substuktionen der in Barbeln bei Trier aufgefundenen Töpfereien haufenweise vorfanden.
Noch unwahrscheinlicher scheint die Mutmassung, es könnte hier ein mit den stundenweit entfernten Befestigungen Alttrier’s zusammenhängendes Vorwerk ( fort avancé ) gestanden haben ...
Aber welcher Art war denn schließlich das Gebäude ? Eine befriedigende Antwort dürfte sich sofort einstellen, wenn wir die Ähnlichkeit der Anlage mit den römischen Incerations-Stätten Italiens in Betracht ziehen. In der kleineren Rotunde erkennen wir sodann das Ustrinum , nämlich den Raum, in dem die Leichen zu Asche verbrannt wurden (hier scheinbar auf dem ausgehöhlten Zentralstein ), und in der größeren Rotunde das Columbarium, in dessen zahlreiche innere Wandnischen man die mit der gewonnenen Asche des Toten gefüllten Urnen beisetzte und mit einem Deckel abschloß. Eine in einem verschütteten Ustrinum Italiens aufgefundene, in eine unverbrennbare Leinwand ( Asbestos ) gehüllte, verkohlte Leiche, verrät das Mittel, dessen man sich bediente, um die Mischung der Menschenasche mit den Kohlen und Aschenresten der Feuerung zu verhindern. Die gestossenen Knochenreste füllte man gewöhnlich in Amphoren ( obendraria vasa ). Zweifellos endete die kleine Rotunde gewölbeartig in einen Rauchfang aus, welcher das Ziegeldach des umschließenden viereckigen Gebäudes überragte.
Was mag schließlich aus den Hausteinen des Oberbaus geschehen sein, nach erfolgter Zerstörung ( wohl durch die Franken Ende des 3. oder Anfang des 4. Jahrhunderts ) desselben ? Unwahrscheinlich wäre die Annahme nicht, daß man dieselben zu den Fundamenten der primitiven christlichen Kirche zu Consdorf verwertet hatte.
Indem, meines Wissens, hierlands noch kein derartiges Columbarium mit Ustrinum gefunden worden ist, so kann die kulturhistorische Bedeutung des vorgeschriebenen Consdorfer Fundes nicht wohl in Abrede gestellt werden.
Die hochintressanten Baureste auf Staatskosten ganz ausgraben zu lassen und weiter zu durchforschen, dürfte angezeigt sein. Hoffentlich wird der Vorstand der historischen Abteilung des großherzloglichen Instituts hierfür die nötigen Schritte tun.

( K. Arendt , Luxemburg, Mai 1900 )

Anmerkungen des Publizisten 1998

Die vorgeschlagenen Ausgrabungen haben nie stattgefunden, wohl weil die zur Verfügung stehenden Gelder zu ergiebigeren Ausgrabungsstätten verwendet wurden. ( Villa in Echternach, Riccus bei Dahlheim, Ansiedlung am Titelberg, Mosaic von Viichten ... )
Selbst die von K. Arendt benannte Stelle "bei de Wichtelchesheiser" ist den heutigen Einwohnern Consdorfs unbekannt und auf topographischen Karten nicht eingetragen. Auch konnten Spuren der beschriebenen Fundamente bis jetzt nicht relokalisiert werden.
Einziges Zeugnis dieses, nun 100 Jahre alten Fundes, bleibt also der zweiseitige Bericht des damaligen Staatsarchitekten, ein Umstand der wohl zu denken gibt. Vollständigkeitshalber sollen hier noch einige weitere Funde und Erkenntnisse aus dem Consdorfer Raum aufgezählt sein, die vielleicht im Zusammenhang mit dem Columbarium verstanden werden könnten.
Am Rande sei noch erwähnt, daß besagte Stelle bis ins 19. Jahrhundert Vorwand zu " abergläubigen" Geschichtchen war. Man glaubte, daß hier "Wichtelcher" ( Zwerge) in unterirdischen Wohnungen hausten.
- Zufall oder intuitives Erfassen der damals noch verborgenen Fundstelle seitens der Bauernbevölkerung ?

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