Joseph Hess: ( aus : An der Uecht 1964 . 18ter Jahrgang )

Consdorf im Schatten von Geschichte und Legende

Stichwortindex
Frühgeschichte - Gründung durch Kloster von Oeren - Pfarrkirche - Geldsorgen - französische Republik - Weg und Feldkreuze - Mathias Ruden - Neuzeit

In einer Urkunde vom Jahre 815 wird zuerst eine namentliche Bezeichnung des Dorfes gegeben. Aus Cunolphi Villa, Hof des Kunolph. wird um 1131 Condesdorp und 1552 Kontzdorf. Zu allem Unheil wird diese obige Urkunde des Jahres 816 von Historikern als verdächtig. d. h, in Bezug auf Inhalt und Datum als unzuverlässig angesehen. Mit der Namengebung 953 die als erste auf diejenige von 816 folgte, war die prähistorische Zeit für Consdorf zu Ende. Diese hinterließ uns zahlreiche Felszeichnungen und Schriftzeichen die bis jetzt nicht zu deuten sind, Ein letzter Fundort befindet sich in der «Steinbach » bei Hersberg. mit Draht verzäunt. Dr. Ernest Schneider bezieht in seinem sehr ausführlichen Bericht über diese um Jahrtausende zurückliegende Zeichen oder Buchstaben. auch solche Spuren und Ritzen und Rillen ein , die das Werk von Knabenhänden bilden mögen ; gut zu wissen für den Fall, daß die Wissenschaft einmal diesem Alphabet auf die Schliche kommt. Die uralten Wehranlagen auf «Buurgkapp» und «Hooneck» wurden gewiß durch in der Zeit der Raubüberfälle des Dreißigjährigen Krieges und hernach bis zur Besetzung des Landes Lützelburg durch Frankreich 1685, als Fliehburgen benutzt. Ueber 816 hinaus gibt es keine schriftliche Gewißheit.
Und dennoch spricht so viel für die Annahme, daß die rechts der Schwarzen Ernz gelegene Hanglage des Müllertals sehr früh bewohnt wurde. Die Zeitgenossen des ältesten bis heute ermittelten Luxemburgers, den Lehrer Thill aus seiner Ruhestätte unter dem Felsvorsprung am Loschbur bei Blumenthal ans Licht der Forschung hervorholte, fanden in der Ernz ihre Fische, in dem Walddickicht ihr Wildbret, in den zu Tal fallenden Wildbächen ihr Trinkwasser und unter den Felsen und in den Schlüffen ihre Wohnung, Als sie anfingen, Brotfrucht zu säen, eignete sich der leicht zu bearbeitende Boden der Hänge und der Hochfläche dafür ausgezeichnet. Im Lauf der Jahrtausende wurden diese Felsenunterkünfte von Steintrümmern und durch Bodenanschwemmungen zugedeckt. Das erste Consdorf wäre in der Gegend der Goldkaul, der Goldfralay, der Kohlscheier und des Buurgkappfelsens zu suchen.Zur Zeit ist es so, daß diese absonderlichen Felsgebilde den Ruf Consdorfs als touristisches Zentrum des Müllertals unterbauen.
Consdorf kehrt sein Gesicht dem Müllertal zu. Von Consdorf aus hat man es am nächsten zu den absonderlichen Schlüffen und Schründen, zum Herzstück des reich bewaldeten und von Wasserläufen belebten Talgrundes. Doch seien die Funde aus der Urzeit und aus der römisch-gallischen Epoche nicht vergessen, Es sind viele. Dr. Graf aus Echternach sammelte seine Steinäxte und sonstiges Gerät aus rohem oder geschliffenem Gestein hauptsächlich auf der Höhe von Scheidgen und Michelshof. Es war aber nicht. wie behauptet und geschrieben wurde. daß römische Villen.d. h. Höfe ohne Zahl auf den Rändern des Müllertals gestanden hätten. Wohl trifft das zu für die linke Randabdachung bei Christnach und Waldbillig. Es wurden direkt bei Consdorf kaum Villen ausgegraben. Es muß auch nicht jedes unserer Dörfer auf vorrömischen oder römischen Ursprung zurückreichen und es kann doch ein rechtes und liebreizendes Dorf sein.
Dieser Kunolph also gründete einen Hof. Seine Sippe siedelte er in Hofnähe an, Damals galt das Recht des Stärkeren. also hieß es stark und zahlreich sein, wollte man die Raubüberfälle der Landläufer und der Heimatlosen abwehren. So entstand das Dorf im Kern , die Arbeitsleute des Kunolph-Hofes errichteten in nächster Nähe des Hofes ihre Katen und man schützte sich gegenseitig.
In der beanstandeten Urkunde von 816 zählt Consdorf zum Kloster 0 e r e n bei Trier, (Nicht mit dem Ort Euren bei Trier zu verwechselnl) Zu keiner Zeit seither hatte die so nahe Abtei Echternach, deren Ursprung auf eine Schenkung der Abtissin Irmina des Klosters Oeren zurückgeht , Besitzrechte in Consdorf. Bis zum Ende der Feudalzeit dauerte die Oerener oder Irminen-Herrschaft über Consdorf. Das Dorf Bech.weiter von Echternach entfernt als Consdorf, gehörte der Willibrordus-Abtei. Das zeigt sich bis heute in den dörflichen Mundarten. Bech spricht wie Echternach, Consdorf wie die Dörfer im weiten Umkreis. Die Irminenherrschaft hinterließ zwei bis heute geltende Namensbezeichnungen. Ein Irminenweg führt von Echternach über Girst nach dem alten Sauerübergang bei Wintersdorf und über den Berg nach Trier.Dieser Weg wird erwähnt im Rosporter Gerichtsbuch unterm 31. März 1702. bei der Begehung der Banngrenzen von Rosport:«eine marck so im dorf Girst hart an der Irminenstraße wieder Thines Scheuer ahn der Quermauer unter dem Dagtrauf steht». Die Irmelenhand ist ein Hoheitszeichen des Klosters Oeren, noch heute zu sehen «auf der Leye, so die hant ain steet, die man nennet sent Irmelen handt, obent Latterborn» an dem alten Weg von Kalkesbach nach Lauterborn, im dem neulich Redressierungsarbeiten vorgenommen wurden, die das ehrwürdige Handzeichen leicht erreichbar machen. Die Hand ist im alten Rechtsbrauch ein Symbol des Herrenrechts, auch auf dem Echternacher Freiheitskreuz auf der Kehrseite angebracht. Meinem Empfinden nach ist es für Consdorf ein einmaliges Glück, daß auf Consdorfer Bann ein solches Rechtssymbol erhalten blieb, wohingegen dieses Wahrzeichen mittelalterlicher Rechtspflege sonstwo verschwunden ist. Diese Irmelenhände soll es auch sonst an einigen Felsen im Wald geben, wo sich Echternacher und Oerener Abteibesitz scheiden.
An die Irminenzeit in Consdorf erinnert auch ein von einer Art Krone überschattetes Wappen der Irminenabtei in Trier.Es stellt den aufrechtstehenden Löwen dar, der nach links gerichtet ist. Glücklicherweise wurde bei der Renovierung des Hauses René Mischel-Adam dieser Stein in der Fassade belassen. Man darf mutmaben, dab in diesem Haus der Klostermeier oder Amtmann der Abtei wohnte.
Eine Abtei, die Grund- und Herrenrechte ausübte, wählte sich einen weltlichen Herrn als Schutzvogt, der auch das Hochgerichtsrecht ausübte. «Ecclesia abhorret a sanguine». Die Kirche und ihre Diener durfen kein Bluturteil aussprechen noch auch ausführen.Für Consdorf hatte Oeren als Erbvögte die Herren von Befort bestellt, die für Oerener Interessen in Consdorf zum Schwerte griffen ; aber nicht gratis, sondern sie zogen ein Drittel der Buben ein, die verhängt wurden, und gebüßt wurden damals die Untertanen, dab es schaudert, die Höhe der Bubgelder zur Kenntnis zu nehmen, die für Nichtigkeiten von den dörflichen Gerichtshöfen verhängt wurden, Jedes Vergehen wurde gebüßt, mit Geldsummen und den berüchtigten Schöffenessen für die Gerichtsherren, für deren Kosten der Delinquent aufkommen mußte. In Consdorf wie auch sonstwo versuchten die Vögte, auf heimtückische Weise die gesamten Herrenrechte an sich zu ziehen, und sogar, als ihrer Intrigen letztes Glied, sich den Treueid der Consdorfer Untertanen schwören zu lassen, was ihnen aber nicht gelang, weil St, Irmina auf der Hut war. Die vom Kloster Oeren 1658 geforderte Huldigung der Consdorfer Ortsgegerichtsherren weist solche Ansprüche zurück. Der Hochgerichtsherr von Befort soll das, was er sich angemabt hatte, öffentlich abschwören.Ebenso beflissen war die Ahtissin von Oeren, im lahre 1765 den Pranger, eines ihrer Hoheitszeichen, den wir luxemburgisch "Stillchen" nennen, bei der Linde, zu Consdod wieder zu errichten nachdem er verfault am Boden lag, dies in Gegenwart aller ihrer 1 Untertanen, und ihn behufs längerer Haltbarkeit aus Stein aufzuzurichten.
Consdorf soll anfangs eine Filiale der uralten Pfarrei St, Michael bei Grundhof gewesen sein, die bis nach 1800 dort stand wo 1939 ein Kreuz im Flurhang errichtet wurde.Diese Kirche wurde Nunkirche genannt, ähnlich wie Neunkirchen bei Bous, wo ebenfalls die Pfarrkirche für viele Dörfer der Nachbarschaft war. Der Michaelskirche wurde 1756 wegen ihrer Baufälligkeit der Gottesdienst entzogen. Sie war Mutterkirche für Befort, Consdorf und Berdorf.
Erst im 13. lahrhundert wird für Consdorf eine Pfarrkirche erwähnt. Das Kloster Oeren bestimmte den Pfarrer, eigentlich den Vikar auf Lebenszeit, und lieb ihm jährlich den nötigen Unterhalt zuweisen. ohne dessen Fixierung keine Pfarrkirche genehmigt wurde. Im gleichen Jahr 1756 wie die Michealskirche bei Grundhof wurde die Consdorfer Pfarrkirche wegen ihres indezenten baulichen Zustandes interdiziert.Das Kloster Oeren weigerte sich die nötigen Gelder zur Wiederherstellung zu spenden, und ebenso flink lehnten es die Consdorfer ab, die ihnen auferlegten Hand- und Gespannfronden für den Aufbau zu leisten,.1771 zwang der Provinzialrat in Luxemburg das Kloster, für seine Baupflicht aufzukommen, und im gleichen Jahr verurteilte nach langem Prozeb der Appellrat von Malines ( Mechelen ) die Dörfer zur Leistung ihrer Fronden. Die Baukosten beliefen sich auf 1 187 Reichstaler, die Hilfsdienste auf 950 Reichstaler. Wie es kommen konnte, dab 1628 nicht mehr die heilige Irmina, die Abtissin in dem Herrschaftskloster Oeren, sondern an deren Stelle der heilige Bartholomäus als Patron der Pfarrei aufgeführt wird ist rätselhaft, weil doch Oeren in Consdorf Herrschaftsrechte ausübte und den Pfarrer ernannte, mithin auch auf Irmina als Ortsheilige bestehen mußte.
"Ener dem Krommstaf ass gudd liewen" , so ging die Redensart früher in den Dörfern. die von Abteien regiert wurden. Die Dörfer Berdorf, Breitweiler, Colbet ( auch Marscherwald genannt) und Scheidgen gehörten zur Pfarrei Consdorf. Berdorf wurde 1803 mit der Michaelskirche sowie den Häusern von Grundhof rechts der Schwarzen Ernz nebst den Einzelhöfen zur selbständigen Pfarrei erhoben. Dem Pfarrer von Consdorf stand es noch im 18. Jahrhunderd zu, in Berdorf des Sonntags Messe zu lesen; weil die Wege bis Berdorf schlecht unterhalten sind und die Entfernung eine Wegstunde beträgt, wollen dic Einwohner, dab dieses Recht ihnen erhalten bleibe. Auber den Dörfern gehören um 1319 auch die Höfe Birkelt, Hongershaff, Dosterterhaff, Kinsekerhaff, Hemstal, die Mühlen von Müllerthal, das damals den Namen Erenz führte), endlich Posselt, Friemholz, Roßwinkel, Roudeschhaff, Lemmeschleid (wahrscheinlich die Consdorfer Mühle unter Buurgkapp) zu Consdorf. Viel später entstand das Dörfchen Scheidgen, aus dem Waldnamen Scheid, eine Rodung aus dem beginnenden 17. Jahrhundert, wo bis ins 19, lahrhundert herauf der Wald die Asche lieferte zum Pottaschesieden die kristallisierte Pottasche wurde an Aufkäufer verkauft und meist nach Metz geliefert, zur Seifengewinnung. Um 1800 waren im Departement des Forets 89 Pottaschesieder patentiert, die meisten davon im Bezirk Bitburg und an den Höhenzügen längs der Schwarzen Ernz. Es gibt noch alte Leute unter uns, die erlebten, wie früher die große Wäsche mit Hilfe von Aufschütten von Lauge auf eine Bauchbütte voll Leinenzeug vorgenommen wurde. Diese Lauge wurde auch Asche gewonnen, die jahraus, jahrein in der Aschenkaul nahe dem Kochherd in der Küche aufbewahrt wurde. In Consdorf sah ich noch 1936 einen der runden, dickwandigen Pottaschekessel, in dem die Asche tagelang unter scharfem Feuer gehalten wurde, nebst zugeschüttetem Wasser. Die Kristalle wurden mit einem Schlagmesser ( Schloper ) vom Kesselboden gelockert; daher der faustdicke Kesselboden, der diese Stöße aushalten mußte. Die Kristalle sahen aus wie roter Zucker.
Bis zum Ende des Feudalregimes 1795 deckt sich die Geschichte der Ortschaft Consdorf in weltlicher Hinsicht mit derjenigen der Herrschaft Befort, mit gewissen Abstrichen ; kirchlich und verwaltlich mit derjenigen von Oeren. Wir wissen von keinem Consdorfer Ereignis, das über die lokale Geschichte hinaus in die Landesgeschichte hineinwuchs, Geldsorgen erschütterten dauernd die Wohlfahrt der Bewohner. Am 16. November 1725 verkauft das Dorf, das die aus alten Jahren «grausamen" Schulden und Schuldzinsen mit einem Mal loswerden will, zum Preis von 1600 Reichstaler aus den Gemeindewaldungen 2100 Eichenstämme, die Mosel und Rhein hinunter nach Holland schwammen und zum Schiffbau dienten. Wenig später entleiht Consdorf vom Stadtschultheiß de Houth in Echternach 1000 Reichstaler. Mit dem Verkauf der Substanz aus dem Gemeindebesitz verlor die Ortschaft einen Teil ihrer jährlichen Einkünfte aus den Holzschlägen.Furchtbar traf der Prozeß der Einwohner gegen das Kloster Oeren, wegen der Hand- und Gespannleistungen beim Wiederaufbau der Pfarrkirche, das Dorf.Wie oben geschrieben, verlor Consdorf den Prozeß durch Urteil des Appellhofes in Malines (Mecheln), im Jahre 1771 ; die Dörfler mußten also doch Frondienste leisten und dazu die erschreckend hohen Gerichtskosten bezahlen, wozu schon 1766 eine Anleihe aufgenommen worden war. 1773 ist es so weit, daß außer dem Erlös von 2000 Korden aus dem Gemeindewald noch eine weitere Anleihe von 600 Reichstaler notwendig wurde. Man fragt sich, ob der Einsatz den Prozeß rechtfertigte, Die «Apperschaftsdienste» wurden nämlich hernach auf 950 Reichstaler veranlagt. Um solche Hartnäckigkeit zu verstehen, müssen wir überlegen, daß es gegen die Herrschaft Oeren ging; gegen deren Uebergriffe. Jede Nachgiebigkeit zog in solchem Fall weitere Konzessionen nach sich und hätte für ewige Zeiten der Ortschaft Nachteile gebracht, da kein Mensch ahnte, daß die auf Jahrhunderte aufgebaute Feudalordnung schon 30 Jahre später zu Ende sei. Daher waren die Untertanen allenthalben auf ihre Rechte versessen, und keine Summe schien zu hoch, um sie zu verteidigen. Berdorf, damals zur Pfarrei Consdorf gehörig. hatte schon 1759 erklärt, es habe mit dem Neubau der Consdorfer Pfarrkirche nichts zu tun, da das Dorf selber eine Pfarrkirche habe, eigene 80 Malter Zehnten a n Oeren liefere und in die Kirchenmauern eingefügt 13 adelige Wappen (?} als Zeichen der Eigenständigkeit besitze. Die Pfarrkirche von Consdorf , wurde am 26, März 1799 mitsamt dem Garten, und einigen Wiesen als Nationalgut versteigert. Der Pfarrer Theodor Lemmer aus Budler. installiert am 3. März 1771 , hatte den Treueid an die Republik verweigert. Der Pfarrer Kolff fand nicht das Vertrauen der Pfarrkinder.
Ein Beispiel, um die Prozeßsucht der damaligen Menschen zu kennzeichnen ! 1786 klagt ein Einwohner aus Consdorf vor Provinzialrat in Luxemburg, er habe einen öden Platz, über den die Fronleichnamsprozession zu gehen pflege, angekauft, eingesät und umzäunt. Trotzdem seien Pfarrer Lemmer und das ganze Dorf, nachdem sie den Zaun abgebrochen hätten, über die Saaten geschritten. Wieder entsetztliche Unkosten bei wenig Einsatz . Auch 1846 findet sich die Gemeinde Consdorf in einem heillosen Durcheinander wegen der Gemeindeeinnehmer, die seit 1828 eine defizitäre Kasse mit sich schleppen, bis einer sich eigenmächtig aus eingegangenen Zahlungen bezahlt machte. In zwanzig Jahren hatten sechs Einnehmer an diesen Zuständen gelitten, da jeder mit Kunstgriffen versuchen mußte, seine Gestion zu decken. Man reklamierte stets zu spät.
Die Einverleibung des Landes in die französische Republik brachte die Einziehung der jungen Burschen für den Kriegsdienst. Manchen dieser Jungen traf ein trauriges Schicksal, und nicht weniger litten die Eltern. Pierre Post aus Consdorf, Voltigeur im 23. Linienregiment, verschied im Feldspital von Perpignan am 31.Oktober 1811 am Fieber, Am 4. Juli 1807 erhob der Bürgermeister Jean Brücher von Consdorf Fürbitte bei dem Unter-Präfekten von Bitburg für dessen Mutter, die Witwe ist, und die zu einer Geldbuße von 500 Franken verurteilt worden war, wegen angeblicher Desertion ihres Sohnes, In dem Urteil war er Peter Loos genannt worden ; er selbst konnte nicht schreiben, und so schrieb Jacob Schneiders von Steinheim für ihn die Briefe nach Haus. Die Angehörigen suchten an Hand von Briefen nachzuweisen, daß er noch bei der Truppe stand, und baten um Aufhebung des Urteils, das die Witwe in äußerste Armut bringe. Zwei Briefe werden dem Unterpräfekten in Bitburg unterbreitet. Daß er nicht desertierl war. beweist wohl sein Tod in späteren Jahren in einem Militärlazarett.Der erste Brief lautet :
Aos (Aosta in den italienischen 1 Alpen), der 29 Mörtz 1807. Liebste Eltern, Ein freundlicher Gruß Herzallerliebste Eltern, schwester, Schwager und die Ver wanten und bekannten. Jch will euch jetz zu wissen thon, wie dass ich noch bei gutter gesundtheit bin wie ich auch von ihnen verhoffe.letz will ich euch zu wissen lthon wie es mir auf der Reis ergangen ist. Ich hab viel mussen leiden, wenn ich euch es schreiben mögte, so muesset ihr meiner erbarmen, wenn ihr schon steinerne Herzen hättet, ab sonderlich meine Eltem und meine Freunde denn sie haben mich wenig erkannt (waren mir nicht gut) , wie ich zu Hause hiewech seind gegangen. lch bin zum ersten in die Sadt Koesen (?) in den Depot in dem 23. Regiment Schasseur zu Fuss. lch bin jetzt nicht möhr in dem dipo. Wir seind jetzt schon acht Tag lang auf der reiss, wir wissen nicht wo es hin gehet. Wir liegen jetzt bei den Bürgern in der Stadt Aos,an der Wienies (~Vanoise ist fin Gebirgszug bei Aosta). Es hfisst wir müssen ind die Patalljen gehen gehent die Russen. Ich will euch auch zu wissen thon dab ich noch ein Bittgang schuldig bin nach Schörren (Schieren) zu Ehren dem Heiligen Blasius.Wann dir diesen Bittgang ausrichtet, so musst ihr ein Luxemburger Stüber opfern. Ich bitte euch dass ihr meiner eingedenk seiet in euerem Gebett, denn ich kann nicht viel betten, ihr wisset wohl wie es bey den soldaten gehet mit dem Gebett. Jch kann jetzt kein Göld begören, denn ich weiss nicht wie ich euch schreiben sollte dass ihr den Brief einrichten sollet, dass ich das Göld bekommen könne. Darum will ich euch nochmal schreiben, denn ihr hattet mir Göld genug geben eurem nach (nach Jhrem besten Können) . Jch bin jetzt kein Schasser mehr ich bin jetzt in dem dritten Rögement die Litt Volteger (Regiment d'Elite Voltigeurs) X, Batteljon, 3, Compane; ich hab viele deitsche bey mir, einer von Bördorff ( Berdorf ) mit Namen Johann Freilingen. Wenn ihr mir wieder schreiben, so müsst ihr den adres zu guter machen lassen wie ich diesen hier mache. An Mosier Pier Post, 3 Rögement dielit X Batteljon dritter Campanie an Aös, an gartenes song ( en garnison ) an der Vienies. Dieser Brief hat den Jacob Schneiders von Steinheim geschrieben auf Ostertag, in dem rau t spidal 1807 (Hopital de Route) . Er ist in denselwichten regement grenadier. wir seint allezeit beieinander.
Ein zweiter Brief, in Auszügen :
Aos, den 11 de Mei 1807, Ein freintellich Gross an meine aller Hertz Liebste mutter bruder und schwister und alle meine Bekannten, - - - . und wir seint jetzt weit von Haus und wir haben eine schwier Reis gemacht, haben 4 Hundert stonden in einem stück, getz seint wir zurück gereiset, jetzt sind wir nohren (nur) 2 Hondert stonden mih nach bei Haus und ich hofen noch ober ein Halbe Jahr ein Durchzug durch unser Lant zu muchen, und wir sind durch aller Lender gereiset. Wir sind durch ein Lant gereiset, da waren Berg esu hoch dass man kom der Himmel gesehen hat und wir sind 14 Deg durch die Berg gereiset und dass man wider son noch mont gesehen hut und wir sind eine Berg (une montagne) ausgegangen, der 9 Stonden, und auf diesem Berg war Haus hich Schnöh und under dem berg war es gutt wetter und getz sind wir in einem gotten lant, da den Wein auf den Beimen wexet, und da es nicht winder thut geben. Ich will doch gerne wissen wie es zu Haus ist, ob eine goden Jahr zu Haus ist, es fallet mir getz schwer Mais zu essen und wir mussten auch zwei mahl in den Exerziss gehen; Wohr (?) noch dass ich euch esu deck ( dack = oft ) schreiben, und ich bin noch einen Bitgang schultich und ich kan nicht ruhich sein bis ich weiss, dass er aus gerichtet ist nach Schieren zu ihren dem Heiligen Zentblasius und ein stüber zu opfern. - - ich bin getz in der stat Brescia in Italligen und ich habe eine Komerat von Burch Lenster Nicolas Calte (Calteux) und nicolas Nossem von Merss (Mersch) und ich lasse sie a1le freintellich gegressen in Konstorf.bassenter (besonders) meine Komeraten die daheim mit mir ehraus sint gegangen. die sind alle in Kahsaberen (Calabrien?) und ich danken gott dass ich nicht hön brauch zu gehen. - Dieser Napoleonsdiener stand also über vier Jahre unter der kaiserlichen Fahne. seine Mutter wurde trotzdem zu einer hohen Geldbube verurteilt, durch Irrtum der Militärbehörden, und er ließ sein Leben in Perpignan im Jahre 1811. Schicksal!
Die vielen Weg- und Feldkreuze mit den Leidenswerkzeugen Christi in Consdorf und Umgegend wurden von dem Tiroler Steinmetz Mathias Schergen aus Godbringen gemeißelt, An das Steinkreuz bei Wolperl, am Ort, wo früher eine Ziegelbäckerei war, knüpft sich eine grauenhafte Geschichte, die auf Wahrheit beruht. Es war vor 1815, als der Kreis Bitburg noch zu Luxemburg gehörte, unter französischer Herrschaft. Da ritt gegen Mitternacht bei bitterer Kälte in einem harten Winter ein Gendarm nach Bitburg. Beim Wolpertkreuz geriet er in ein Rudel Wölfe, die er mit dem Säbel vom Pferd herunter von sich abwehrte und in die Flucht trieb. Ein zweites Rudel verfolgte ihn bald darauf, und als er wieder zum Säbel griff, war durch das Blut die Waffe an die Scheide festgefroren und er konnte den Säbel nicht ziehen. Das Pferd scheute, warf den Reiter ab, und dieser wurde von den Untieren aufgefressen, bis auf die Füße, die in hohen Stiefeln steckten. So legte sich das Volk, wahrscheinlich mit einigen erfundenen Zusätzen, das schreckliche Vorkommnis zurecht.
Das Ackerland auf den Höhen gehörte den vielen Höfen. Die Consdorfer mu(ten zum Handwerk greifen, und viele zogen fort, sich selber zum Heil, denn, um in der Fremde bestehen zu können, waren sie gezwungen, ihre Fähigkeiten äußerst einzusetzen, indessen die Daheimbleibenden ein leichteres Leben hatten, ohne aber materiell eine Sprosse höher zu kommen. So blieb das Dorf nicht gerade dürftig, die Einwohner schlugen sich tapfer durch, aber die Consdorfer von draußen waren den Einheimischen weit über. Ueberall im Land und vielerorts im Ausland arbeiteten sich Consdorfer Auswanderer an die Macht heran. die Geld und Intelligenz gewähren. Weil ein Kalender sich vornehmlich mit dem Stoff abgeben soll, der bei alltäglichen Unterhaltungen zur Sprache kommt.sei davon abgesehen. die sich folgenden Bürgermeister die Pfarrrer, Lehrer und sonstigen Behörden aufzuzählen und deren Tun zu beleuchten. Im Bedarfsfall sucht man solche Dinge in den Gemeinde- und Pfarrbüchern auf. Was nicht niedergeschrieben wurde, was nur erzählt wurde und längstens nicht mehr erzählt wird, sei hier aufgefrischt. Dies um so mehr, als Consdorf den besten Erzähler des Landes aufzuweisen hat, Mathias Ruden, eine lebendige Chronik mit einem Gedächtnis von einmaliger Kraft, mit offenen Augen für alles Geschehen und dessen Auswertung.
Johann-Mathias Ruden war der Sohn des 1801 in Roodtt an der Syr geborenen Johann Ruden, der zeitweilig Gemeinde-Einnehmer und Gemeinderat war, und der zeitlebens in der Gemeindeführung temperamentvoll seinen Einfluß geltend machte. Mathias Ruden - er wurde nicht Metti noch auch Mathes genannt, weil er als etwas Besseres angesehen wurde mit seinem Sinnieren und Dichten. Beide, Vater und Sohn, gewahrten aus eigener Anschauung die Begehnisse eines vollen Jahrhunderts in ihrem Dorf. Mathias Ruden starb am 13. Januar 1946. Sein Wissen um die «petite histoire. von Consdorf, um Wegkreuze, Flurnamen, Sonderlinge, Legenden, Anekdoten trug er mit sich herum, bereit, es zum besten zu geben. wenn er willige Zuhörer fand. Ruden sprach seine Mundart einfachhin meisterhaft, klassisch; das Luxemburgische war die einzige Sprache, die er sprach und schrieb.
In seinen Theaterstücken. die er für die Jugend des Dorfes verfa(te, nur bei Bedarf, legte er vieles von seinem Wissen nieder.Seine Stichworte als Gedächtnisstütze kritzelte Mathias auf Rizla Blättchen, aus denen er seine Zigaretten umständlich zusammenrollte. Hier, was er an einem einzigen Nachmittag von sich gab :
" Die Nammensfräche war eine Hexe. Als die Hessen 1814 ins Land einrückten, ging sie hinter den Bechel ( Bühl= Hügel ) beten, um den Soldaten "das Feuer zu nehmen", d.h. damit deren Flinten nicht losgehen sollten. Die Hessen kamen von Osterholz her.Sie hatte ein Hexenbuch. Das Zaubern hatte sie von Scharelshennes gelernt, der ein Hexenmeister und Uhrmacher war. Der ging später nach Amerika.
Ein Hirte, der nichts von Krankheiten verstand, gab sich als Heilkundiger aus. Er tätschelte den kranken Schweinen den Rücken unter geheimnisvollem Geraune und verordnete dann einen Salatkopf;das könne nichts schaden. Dieser Hirt hatte einen Wolf gefangen. Man sagte von ihm, er habe einmal alle Hasen vom Bann Consdorf gefangen. Den letzten, so rühmte er sich, nahm er aus dem Strick, als es in der Christnacht auf dem Kirchturm zwölf schlug."
Die Anhänglichkeit an seine engere Heimat drückte Ruden aus wie folgt: , «Wou de Vugel genasst as (sein Nest hatte) , duer zit et en ëmmer hin. All aerme Witfra, all Madam rifft fir hirt Lescht nach no der Mamm.» Der Schmierheinrich von Scheidgen hatte seinen Dudelsack auf dem Rücken hängen, in Seile geknüpft. Er war Musiker. Mit seiner «tamperie» (Schlagzeug und Tamhour) ging er zusammen mit andern Spielleuten bis nach Lüttich Musik machen. Der Breimichel und der Flautepittche von Berdorf gingen mit ihm. In Lüttich wurde ihnen das Spielen von Haus zu Haus von den Stadtsoldaten verboten. Auf ihre Bitten hin gab ein Polizeimann ihnen noch eine Gasse frei, damit sie wenigstens Geld genug hätten für die Heimkehr. Als die Gasse gespielt war, sagte der Breimichel, der französisch konnte: "Spielen wir weiter; der Mann ist scheel. und er sagte, er werde ein Auge zutun. Dann sieht er ja überhaupt nichts mehr".
Gegen Ohrenweh war es die Praxis. daß man sich den dicken Zeh verband.Trug einer Ohrringe, dann ward damit den kranken Augen geholfen. Bei Halsweh zog man dem Kranken den Zaap, d, h, man hob ihn am Haarschopf in die Höhe, dann knackte es im Haar und die Heilung war gesichert. Selbst der Pfarrer tat solches in der Kinderlehre.
Der Prommeschenkel von Christnach war der erste, der mit der Flaus Getreide mähte. (Die Flaus ist die Getreidesense, mit leicht herumgezogenen Rechenzähnen. mit denen die geschnittenen Halme gegen das noch stehende Getreide angelehnt wurden, wo es dann die Aufhebefrau zusammenraffte.) Früher schnitt man Getreide nur mit der Sichel.
In einer Uucht in Consdorf ging die Rede von einem Stier. der um Mitternacht über die Höhen fuhr, Einer gab vor, sich nicht zu fürchten, es mit dem Untier aufzunehmen. Ein anderer übertrumpfte ihn. Man umwickelte diesen mit einer Rindshaut. die man vom Schlachten her im Hause hatte, und der Waghalsige stellte sich dem Stier. Da schoß der erste mit der Flinte und traf den Freund tödlich. Der Tote soll, um seinen Frevel zu büßen, in die Rindshaut eingewickelt an Ort und Stelle begraben worden sein. Gleicherweise wurde ein Mann erschossen, der in einem Buchengesträuch bei der Schafhut eingeschlafen war. Kurz vorher hatte der Wolf in "Funek". (Name einer Feldflur) an die 100 Schafe geholt. Die Lauermänner hielten den Schlafenden für einen Wolf, weil er einen grauen Tirtichmantel trug.
Mit diesen in volkstümlichem Tone vorgetragenen "Verzählchen" ist Rudens Repertoire nicht erschöpft. Geht man auf die Suche nach Bestätigungen seiner Wissenschaft, so ergibt sich deren Wahrheit. Er hatte von den Ziegenhirten erzählt, die von der Gemeinde ernannt wurden. Im Gemeindearchiv heißt es nun für 1850, daß Consdorf etwa 150 Ziegen zählte, die bisher von den Ziegenhaltern einzeln gehütet und ausgetrieben wurden. 1850 tat man alle zu einer Herde zusammen, und weil die armen Leute den Hirtenlohn kaum entrichten konnten, legte die Gemeindeverwaltung einen Jahreslohn aus von 100 Franken.
1853 wurden die Consdorfer Moore in den Wäldern Buchholtz, Seitert, Moorebusch, Dennebusch und Grondelsmoor zur Entnahme von Torf versteigert; dieser Torf wurde als Düngemittel verwandt. Es sollte aber dafür gesorgt werden, daß das Wasser darin nicht völlig abging,da es den Weidetieren als Trinkplatz diente. 1850 gestattete man,daß die Waldstücke Boudelerbach und Funeksbusch gerodet wurden, nicht aber der Busch bei Niederbrücken, der felsig und für eine Wiesenanlage ungeeignet sei. 1853 ersuchte der Bierbrauer Wilhelm Mersch die Gemeinde, ihm an der Straße von Consdorf nach Christnach. im Ort genannt Basselik nahe der Mühle, einen Streifen Wald zu verpachten, damit er dort einen Felsenkeller anlegen könne. da sein jetziger Keller zum Aufbewahren und Gären des Lagerbiers ungeeignet sei, Er soll dafür jährlich 2 Franken Pachtgebühr entrichten.
In der Rundstedtoffensive kamen die blutjungen Volksgrenadiere der 352. Division vor Consdorf zum Stehen. Osterholz war und blieb von ihnen besetzt, ein Bollwerk gegen das Dorf. Consdorf selbst erlitt einige böse Einschläge. so in die Sakristei der Pfarrkirche, aber die Einwohner durften nach den siegreichen Kämpfen der Amerikaner am 19. Dezember 1945, als der deutsche Angriff abgeschlagen war, bald in ihre Wohnungen zurückkehren.
Es bleibt noch zu schreiben, da( Consdorf zum Hauptquartier für die Touristen geworden ist, die das Müllertal gründlich abtasten wollen. Auf Buurgkapp steht eine der schönsten und bestausgestatteten Jugendherbergen des Landes.innerhalb der Umwallung der ehemaligen Fliehburg, weiträumig und mit entzückenden Ausblicken auf die Consdorfer Mühle und das Müllertal. Diese Mühle weist einen viel zu wenig bekannten Raum auf, deer früher als 0elmühle benutzt wurde, mit ihrer Gesamtausstattung von ehemals, als habe erst kürzlich die 0elpresse zu funktionieren aufgehört.
Der jetzige Besitzer, Herr Eicher sah noch Oelkrüge mit hier geschlagenem 0el stehen. 1922 half ein Consdorfer, Herr Steines, in der Oelmühle bei der Arbeit. Die Rapskörner, die Nüsse und Bucheckern wurden von dem schweren Steinrad, das schief lief, in einer runden Mulde zermalmt.Dann wurde die gequetschte Masse unter den schweren Holzhammer genommen, der von einem Räderwerk getrieben, das 0el herausstampfte. Wie Oelkuchen geformt wurden. die zum Winterfutter der Milchkühe dienten, läßt sich hier an Hand der erhaltenen Kuchenformen ausmachen. An der Einrichtung fehlt kein irgendwie wichtiges Stück. Mit viel Sachkenntnis betreut Herr Eicher im Hotel du Moulin diese auf wohl 100 Kilometer in der Runde einzigartige Oelmühle, mitsamt andern Altertümern aus der Frühzeit und aus dem ausgehenden Mittelalter, alles aus eigenen Mitteln. Consdorf ist eine Ortschaft wie viele andere im Lande, aber reich ausgestattet mit touristischen Sehenswürdigkeiten, in einer Umgebung, wie sie romantischer ( dies im eigentlichen Sinne des Wortes ) kaum ausgedacht werden könnte ; mit einer Bevölkerung, die sich stets für den Fortschritt erklärte, wo immer er sich offenbarte; so für den Fremdenverkehr, dem hier alle Wege und Türen sich auftaten, als dessen wirtschaftliche Bedeutung sich ankündigte.
( Joseph Hess 1964 )

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